Sie beschreiben die dramatische Lage: (v.l.n.r.) Karsten Ziebart (Ziebart-Abbundtechnik), Heiko Mennenga (Baugeschäft Mennenga), Thomas Fast (Vorstandsvorsitzender der WVGF), Peter Prause (Holzbau Kuhn) und Thomas Henke (Henke-Bedachungen).

Hohe Preise und Lieferprobleme: Materialkrise trifft die Gifhorner Baubranche hart.

Wochenlanges Warten auf Lieferungen und immer höher steigende Preise: Die Materialkrise trifft auch die Gifhorner Baubranche hart. Erste Unternehmen haben bereits Kurzarbeit angemeldet. In einem Gespräch, zu dem die Wirtschaftsvereinigung am Mittwoch eingeladen hatte, schilderten Firmenchefs die dramatische Lage ihrer Betriebe. Als Hilferuf ging ein Brief an Bundesarbeitsminister Hubert Heil (SPD).

„Das Maß ist voll, es ist kurz vor Zwölf“, steht für Thomas Fast, Vorstandsvorsitzender der Wirtschaftsvereinigung Gifhorn, fest. Der Materialmangel – einhergehend mit galoppierenden Preiserhöhungen – zeige schlimme Auswirkungen. „Handwerksfirmen, die volle Auftragsbücher haben, müssen Kurzarbeit anmelden“, so Fast. Währenddessen werde dringend benötigtes Material ins Ausland verschifft. China und die USA hätten keine Probleme damit, die hohen Preise zu zahlen. „Die Situation hat inzwischen Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft.“

Gifhorns Wirtschaftsvereinigung wolle verhindern, dass Handwerksunternehmen, die bisher gut durch die schwierige Corona-Zeit gekommen seien, nun „den Bach runtergehen“, so Fast. Im Vorfeld habe das Büro von Heil versprochen, den Brief aus Gifhorn umgehend an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier weiterzuleiten.

Thomas Henke, technischer Leiter von Henke Bedachungen Gifhorn, führt exorbitante Baumaterial-Preissteigerungen in fast allen Bereichen an. Bauholz, Kunststoffe, Baumetalle, Dämmstoffe oder auch Abdichtungsmaterialien seien unter anderem betroffen. So habe der laufende Meter einer Dachlatte Anfang des Jahres noch 70 Cent gekostet, inzwischen müssten dafür 2,70 Euro gezahlt werden. „In vielen Bereichen liegt der Anstieg bei 400 Prozent – da können wir nicht mehr mit umgehen“, so Henke. Lagerbestände anzulegen, sei ebenfalls unmöglich. „Man kriegt nichts.“

Karsten Ziebart, Chef von Ziebart Abbundtechnik, berichtet von 300-prozentigen Preissteigerung seit Jahresbeginn im Holzbereich. Für den Raummeter Konstruktionsvollholz würden inzwischen Preise von 900 bis 1000 Euro aufgerufen – wenn es denn überhaupt mit der Lieferung klappe. „Durch den Holz-Export gehen die Preise katapultartig nach oben – mehr Geld bekommen die Waldbauern trotzdem nicht“, übt der Firmenchef Kritik.

Peter Prause, Geschäftsführer von Kuhn Holzbau, hat wegen der Materialkrise für seinen Betrieb inzwischen Kurzarbeit angemeldet. „Mitte Dezember vergangenen Jahres ging’s mit den Preissteigerungen und Lieferproblemen los – dann hat es sich immer weiter hochgeschaukelt“, berichtet er. Seine Firma könne Projekte nur dann angehen, wenn es Material gebe. „Gearbeitet wird quasi im Just-in-time-Modus“, so Prause. Dieses sei für sein gesamtes Team und die Auftraggeber extrem schwierig.

„Wir haben es mit einer völlig unplanbaren Situation zu tun“, beschreibt Bauunternehmer Heiko Mennenga die Lage. Kostenvoranschläge seien vielfach schon nach wenigen Tagen Schnee von gestern. Handwerker würden feste Verträge lieber kündigen und Strafzahlungen in Kauf nehmen. Dieses sei für die Betriebe günstiger, als die im Vertrag festgelegten Preise, die inzwischen längst überholt seien, einzuhalten. Besonders schlimm für die Unternehmen: Die steigenden Preise würden nicht mit einer schnelleren Verfügbarkeit von Material einhergehen. Angebote an Häuslebauer seien darum derzeit nicht mehr als eine Schätzung.

Thomas Fast hofft auf eine schnelle Reaktion der Bundespolitik, denn für ihn steht fest: „Das Thema hat soziale Sprengkraft, denn es wird immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“

Bericht von Uwe Stadtlich, Aller-Zeitung
(Weitere Berichte erscheinen auch in der Gifhorner Rundschau und in KURT.)